5. Kapitel: Ana Dilias Engagement mit vielen Frauen in den Armenvierteln Kolumbiens

Ana DiliaMeine Frau Ana Dilia hatte immer schon eine besondere Berufung für die Frauen in den Armenvierteln in Bogotá. Dass dies von absoluter Notwendigkeit war und immer noch ist, darüber besteht kein Zweifel. Die Frauen sind immer noch der am meisten ausgebeutete Teil der hiesigen Bevölkerung. Die Frau ist Sexualobjekt, Gebärmaschine, Hausfrau und muss dem Mann immer willig zur Seite stehen. Der südamerikanische Macho hat Weltruf!

 

Seit viele, vor allem junge, Frauen begannen, selbstständiger zu werden, hat die Gewalt ihnen gegenüber noch zugenommen. Sie werden nicht mehr nur geschlagen, viele werden von ihren Ehemännern und Partnern umgebracht. “Entweder du lebst weiterhin mit mir, oder aber mit keinem anderen”, so heisst oft das Todesurteil. Nach offiziellen Angaben wurden 2016 in Kolumbien 431 Frauen ermordet und 7 von 10 kommen die Gewalt zu spüren. Handkehrum kann sich der Mann selbstverständlich jede Menge von Untreuesituationen erlauben. So sagte mir neulich ein Taxichauffeur in Bogotá: bei so vielen schönen Frauen in Kolumbien darf es doch nicht wahr sein, dass ich immer mit derselben ins Bett muss!

Dazu kommt noch, dass viele, sehr junge, Frauen geschwängert werden und dies von absolut unverantwortlichen Männern, die sich einfach nach der Geburt aus dem Staub machen. Die staatliche Gesetzgebung zum Schutz der Frauen und Kinder ist völlig veraltet und ungenügend, dies wissen die meisten Männer auch.

Aus diesen Gründen begannen wir gleich (1980) mit der Förderung der Frauen in den Armenvierteln, später auch auf dem Land.

Nach unserem Moto der bewusstseinsbildenden Arbeit begann Ana Dilia mit Besuchen der Frauen in diesen Vierteln und lud sie ein, sich in kleinen Gruppen zu treffen; in einem der Häuser oder in Gemeinschaftsräumen.

Damit die Frauen überhaupt kamen, oder die Bewilligung ihres Mannes erhielten, sprach sie anfänglich von Kursen zum Lismen und Stricken.

Bei den Temperaturen von Bogotá, auf 2’600 M über Meer, waren die Frauen bald einmal interessiert dies zu lernen: Pullover, Strümpfe etc. für ihre Kinder, ihren Mann und sich selber!

So begannen eine Reihe von Strickkursen, jede Gruppe traf sich zweimal wöchentlich mit Ana Dilia. Da sie dies ausgezeichnet beherrscht, waren die Damen bald einmal begeistert. Nach einigen Sitzungen konnten sie bereits die ersten Strümpfe heimtragen, oder sogar einen Pullover für den Mann.

Arbeitssitzung

Doch die Bewusstseinsbildung lag nicht im Lismen der Strümpfe sondern im Dialog. Während die Nadeln hin- und herschwirrten, begann Ana Dilia mit der Gruppe immer über ein wichtiges Familienthema zu sprechen: die Rolle der Frau in der Familie und im Staat, das Leben mit den Ehemännern, die Kinder, ihre Erziehung, die soziale und wirtschaftliche Situation, die Frau und die Politik, die Familienplanung etc. Es kam zu äusserst interessanten Gesprächen und Stellungnahmen.

Schritt für Schritt traten die Frauen aus ihren engen und ängstlich-häuslichen Haltungen heraus und begannen eigene Meinungen zu bilden und auch auszusprechen.

Und es blieb nach den vielen Treffen und Gesprächen nicht nur bei der Bildung eines neuen Bewusstseins ihrer Stellung als Frauen und Mütter. Plötzlich bekam dieses Bewusstsein einen neuen, wichtigen, Inhalt: vom Dialog zur Aktion!

Auf diese Weise kamen in den 30 Jahren Arbeit von Ana Dilia rund 10 Frauenorganisationen zustande:

  •  Die meisten Organisationen oder Vereine starteten rund um das Ziel der Kleinunternehmung: Herstellung von einfachen Kleidern, die sich relativ leicht im gleichen Viertel verkaufen liessen. Dies beinhaltete vor allem 2 Ziele: die Frauen konnten sich weiterhin treffen, miteinander reden und als Personen wachsen. Zugleich hatten sie eine zusätzliche, wichtige, Einnahmequelle für sich und ihre Familie, vor allem für die Kinder.
  • Einige wenige Vereine der Frauen bildeten sich, rund um die Lösung der sozialen und politischen Probleme in den verschiedenen Armenvierteln. Einzelne Frauen dieser Vereine engagierten sich dann besonders bei der Lösung von gesundheitlichen, erzieherischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Andere nahmen aktiv an politischen Fragen teil und wurden sogar in wichtige Gremien gewählt, wo sie heute noch mitmachen.
  • Auch auf dem Lande (im Dept. Caldas, wo Ana Dilia auf die Welt kam und aufwuchs) organisierte sie Bäuerinnengruppen, immer mit der gleichen Arbeitsphilosophie: von der Bewusstseinbildung zur Aktion. 2 solcher Landvereine der Frauen widmeten sich der Produktion und dem Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten.
Eröffnung eines Kleiderverkaufszentrums
Eröffnung eines Kleiderverkaufszentrums

Obwohl Ana Dilia heute im verdienten Ruhestand lebt, hat sie doch immer noch Kontakt mit anderen Sozialarbeiterinnen der Stiftung Apoyar, die mit derselben oder ähnlichen Methoden diese so notwendige Förderung der Frau weiterführen. Darüber später ein sehr interessanter Bericht über den Erfolg dieser Anstrengung!

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